Die Welt ernähren, ohne den Planeten zu verschlingen

Die moderne Landwirtschaft ist die Hauptursache für den Klimazerfall. Der britische Umweltaktivist George Monbiot empfiehlt Pfannkuchen aus Luft statt Weidefleisch.

Grüne Wiese

George Monbiot sagt, es sei seine Aufgabe, den Menschen das beizubringen, was sie nicht hören wollen.

Und wenn es eine unbequeme Wahrheit gibt, die der britische Umweltaktivist und Journalist uns allen vor Augen führen möchte, dann die, dass wir unseren Planeten buchstäblich verschlingen.

Die moderne Landwirtschaft habe die natürliche Welt viel zu sehr vereinnahmt, und das sei heute die grösste Ursache für Entwaldung, Verlust der biologischen Vielfalt, Verschmutzung und Klimazerfall.

„Jeder Hektar, den wir für unsere eigenen Zwecke beanspruchen, ist ein Hektar, der nicht von natürlichen Ökosystemen genutzt werden kann“, sagte er kürzlich in einem Vortrag auf einer Veranstaltung der Oxford Sustainable Business and Entrepreneurship Society.

„Es heisst, das Problem sei die intensive Landwirtschaft. Das Problem ist aber nicht das Attribut, sondern die Sache an sich. Das Problem ist ... die Landwirtschaft. Es fällt nicht leicht zuzugeben, dass die Landwirtschaft weitaus schädlicher (für den Planeten) ist als jede andere Branche.“

Die Landwirtschaft ist von grundlegender Bedeutung für die Ernährung, aber durch Treibhausgasemissionen (THG) und die Nutzung von Süsswasser und Land hat sie auch einen enormen ökologischen Fussabdruck.

Mehr als ein Viertel aller THG-Emissionen gehen auf Nahrungsmittel zurück, und die Hälfte der weltweit bewohnbaren Fläche wird für die Landwirtschaft genutzt. Drei Viertel der Entwaldung – das entspricht einem jährlichen Waldverlust von 5 Millionen Hektar – werden durch die Landwirtschaft verursacht, die sowohl in der Biosphäre als auch der Atmosphäre grossen Schaden anrichtet.

Die Hauptverursacher seien die Milch- und die Fleischindustrie, sagt Monbiot, der seit 2015 vegan lebt.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind etwa 15 Prozent aller weltweiten Treibhausgasemissionen auf Nutztiere zurückzuführen.

Aber diese Botschaft zu vermitteln, ist wegen dem, was Monbiot als „nostalgische Mythen“ über die Tierhaltung und Milchwirtschaft bezeichnet, kompliziert geworden.

Dass Promi-Köche und Lebensmittel-Influencer behaupten, die Branche könne ihre ökologischen Auswirkungen verringern, indem Vieh mit Gras statt mit Getreide wie Mais und Soja gefüttert werde, ist ihm ein besonderer Dorn im Auge.

„Die schlechtesten Nahrungsmittel überhaupt sind die, die von Weidevieh stammen“, sagt er. „Die ökologischen Opportunitätskosten sind immens, ebenso die CO2-Opportunitätskosten, und es gibt viele andere Folgeeffekte wie die sehr hohen Methan- und Distickstoffoxidwerte (Emissionen).“

Die Wissenschaftler scheinen sich einig zu sein. Eine Studie der Universität Oxford zeigt, dass Weideland – für Weidefleisch und -milch – mehr als ein Viertel der weltweiten Landfläche einnimmt, aber nur 1 Prozent der weltweiten Proteine produziert.

„Wir alle könnten Weidefleisch essen, wenn wir an die 12 Planeten und auf keinem davon Platz für natürliche Ökosysteme hätten ... Weidefleisch ist bei weitem die Hauptursache für die enorme Ausdehnung der Landwirtschaft“, sagt Monbiot. „Es ist eine romantische Mär, dass wir mit einem neolithischen Produktionssystem die Bevölkerung des 21. Jahrhunderts ernähren können ... Das ist einfach nur eine Wunschvorstellung und ein nostalgischer Mythos.“

Infografik Solein

Rettungsanker für Speck und Frühstücksei

Aber im Gegensatz zu vielen anderen Umweltaktivisten weiss Monbiot, wie schwierig es ist, die Moralkeule gegen Fleisch und Milcherzeugnisse zu schwingen, auch wenn er überzeugt ist, dass dies ebenso erfolgreich sein könnte wie öffentliche Kampagnen gegen das Rauchen.

Stattdessen kann Technologie helfen, die Nahrungsmittelproduktion und den Konsum auf einen besseren Weg zu bringen, wie er in seinem vielbeachteten Buch „Regenesis“ argumentiert.

Aber wie sollen wir seiner Meinung nach unseren heissgeliebten Speck und das Frühstücksei retten?

Durch die Verwendung von Bakterien, sagt Monbiot. Genauer gesagt mit einer Technologie, die als Präzisionsfermentation bezeichnet wird.

Genau wie beim Brauen werden bei der Präzisionsfermentation Mikroben aus der Natur entnommen, die sich vermehren und dabei spezifische Nahrungsmittel erzeugen.

Mithilfe von synthetischer Biologie, Engineering und Informationstechnologie werden die Mikroben so programmiert, dass sie tier- und pflanzenfreies Protein mit dem gleichen Makronährstoffprofil wie von Soja, Fleisch oder Eiern produzieren.

Es war eine Offenbarung für Monbiot, als er einen Pfannkuchen kostete, der mit bakteriellem Mehl aus einem Labor in Helsinki gebacken worden war.

Das reichhaltige gelbe Mehl, Solein genannt und vom finnischen Startup Solar Foods produziert, wird mit Mikroben hergestellt, die aus der Luft entnommen werden.

Diese ernähren sich von einer Kombination aus CO2-Blasen, Wasserstoff und Sauerstoff – die ebenfalls direkt aus der Luft kommen. Wenn die Fermentation abgeschlossen ist, werden sie getrocknet und daraus wird Mehl produziert.

„Ich war der erste Mensch auf der Welt ausserhalb des Labors, der einen Pfannkuchen aus bakteriellem Mehl gegessen hat, ein grosser Schritt für die Menschheit“, sagt er und fügt hinzu, dass der Solein-Pfannkuchen lecker und weich war und satt machte, so wie ein „echter“ Pfannkuchen.

Für die Präzisionsfermentation wird viel weniger Land, CO2, Wasserstoff und Dünger benötigt als für traditionelle Methoden der Nahrungsmittelproduktion.

Es ist 1.700 Mal weniger Fläche erforderlich als für die effizientesten landwirtschaftlichen Methoden für die Proteinherstellung – aktuell Soja – und 138.000 Mal weniger Fläche als für die Rindfleischproduktion.

In seinem Buch beschreibt Monbiot, wie mit Präzisionsfermentation in Kombination mit erneuerbarer Energie auf einem Gebiet, das so gross ist wie Greater London (1.569 km2), das gesamte weltweite Protein produziert werden könnte.

Da der Prozess ausschliesslich im Labor stattfindet, gelangen auch kein Wasser und keine Chemikalien in die Umwelt.

Die Methode wird bereits zur Herstellung einer Vielzahl von fleischlosen Proteinprodukten eingesetzt, z. B. pflanzliche Burger, fischfreie Fischstäbchen und sogar „Chick’n“ Nuggets – von denen viele es in die Supermärkte und Restaurants schaffen.

„Die grosse Errungenschaft ist, dass die Menschen anfangen, die Präzisionsfermentation zur Herstellung von losen Lebensmitteln zu nutzen, um protein- und fettreiche Inhaltsstoffe für Lebensmittel herzustellen“, sagt Monbiot.

„Und das ist um Welten effizienter als jede Produktion mit multizellulären Organismen.“

  1. Einblicke für Investoren

    • Die globale Fleischindustrie hat sich grundlegend gewandelt, nachdem durch die Pandemie die Lieferketten gestört wurden und die mit dem Konsum und der Herstellung von Fleisch verbundenen Gesundheits- und Umweltkosten ins Bewusstsein gerückt sind.
    • Fleischalternativen und pflanzliche Ernährung dürften immer beliebter werden. Laut Schätzungen von AT Kearney wird der weltweite Absatz auf dem Markt für Fleischalternativen bis 2040 auf 1,8 Bio. US-Dollar steigen, von geschätzten 1,2 Bio. US-Dollar im Jahr 2025.
    • Produzenten von pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Beyond Meat und Impossible Foods in den USA und Oatly in Schweden haben in den letzten Jahren mehrere hundert Millionen US-Dollar an Finanzierungsmitteln beschafft. Im Rahmen ihrer Expansion haben sie auch Verträge mit grossen Supermärkten und Fast-Food-Ketten für den Verkauf ihrer margenstarken Produkte geschlossen. In der Branche dürften auch neuartige Technologien wie Automatisierung und das Internet der Dinge Einzug halten, um die Effizienz zu steigern, die Lebensmittelsicherheit zu verbessern und Abfall zu reduzieren.

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