Holz und Lehm: Herstellung eines nachhaltigen Baustoffs

Lehm, einer der ältesten und nachhaltigsten Baustoffe, erlebt im 21. Jahrhundert dank der Robotertechnik ein Revival.

Lehm-Holz-Deckenelemente von Rematter
© Rematter AG

Häuser aus Lehm, das mag urzeitlich klingen, aber dieses alte Baumaterial erlebt jetzt ein Revival als nachhaltige und wirtschaftliche Alternative, die es mit Beton und Holz aufnehmen kann.

Die Baubranche sucht überall auf der Welt nach neuen nachhaltigen Technologien und Materialien, die es uns ermöglichen würden, die Stadtlandschaft nachhaltig zu erweitern, um Wohnraum für 6 Milliarden Stadtbewohner – die Schätzung für 2050 – zu schaffen.

Holz hat in den letzten Jahren dank innovativer Konstruktionstechnologien wie Kreuzlagenholz (KLH) an Beliebtheit gewonnen. Aber selbst wenn man beim Bau auf Holz setzt, können nicht alle Gebäudeteile aus diesem Material bestehen. Für Decken, die zwei Drittel der Baumasse eines Gebäudes ausmachen, wird häufig Beton verwendet, um die thermische Masse zu erhöhen, die Kosten zu senken und den Brand- und Schallschutz zu verbessern.

Doch damit ein Gebäude wirklich nachhaltig ist, muss es ohne Beton auskommen, der als meistverwendetes Material auf dem Planeten für 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Rematter ist ein Start-up mit Sitz in Zug, Schweiz, dem genau das gelungen ist – mit Lehm.

Das Unternehmen kombiniert Low-Tech-Materialien wie Lehm mit High-Tech-Robotertechnik, um Bodenplatten aus Vollholzträgern mit Lehmausfachungen herzustellen. Die hybriden Bodenplatten sind genauso haltbar, schalldämmend und feuerbeständig wie Beton, dabei aber preislich wettbewerbsfähig und äusserst nachhaltig.

„Wenn man ein regeneratives Haus bauen will, muss man an der Basis anfangen – den Geschossdecken“, sagt Rematter-Mitbegründer Götz Hilber im Interview mit mega.

„Um Stahlbeton in grossem Umfang zu ersetzen, müssen wir denselben Preis pro Quadratmeter erreichen oder darunter liegen. Andernfalls wird es eine Nischenlösung bleiben, die nur begrenzte Vorteile für die Menschen und den Planeten bietet.“

In der Vergangenheit waren Lehmbauten in der Regel teuer, da sie von Hand errichtet werden mussten. Rematter hat jedoch einen kreativen Weg gefunden, um das Verfahren kostengünstig zu gestalten: Es kombiniert intelligentes Produktdesign mit Robotertechnik, um seine Lehm-Holz-Deckenelemente in einer kontrollierten Umgebung vorzufertigen. Ausserdem werden die Materialien vor Ort bezogen, was die Transportkosten und den ökologischen Fussabdruck reduziert.

„Selbst in der Schweiz ist Lehm als Rohstoff sehr günstig und kann oftmals aus Aushubmaterial gewonnen werden“, sagt Hilber.

Infografik hybride Lehm-Holz-Struktur

Auf dem Weg zu netto positiven Gebäuden

Rematter hat sich zum Ziel gesetzt, durch die Kombination von natürlichen Materialien mit intelligenter Technik und Robotik sowie durch die Nutzung erneuerbarer Energien einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Baubranche zu leisten.

Dazu gehört auch, das eingebettete CO2 zu reduzieren, also die Emissionen, die während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes entstehen, einschliesslich Baustoffe, Bautätigkeit und Rückbau.

„Wir müssen umdenken und den Fokus von der Reduzierung unseres negativen Fussabdrucks zur Erhöhung unseres positiven Fussabdrucks verlegen“, sagt Hilber.

„Selbst wenn ein negativer Wert etwas kleiner wird, bleibt er immer noch negativ. So etwas frustriert die Menschen. Wir wollen auch nicht neutral sein. Unser Ziel ist es, klima- und ressourcenpositiv zu sein.“

Die Deckenelemente von Rematter haben im Vergleich zu Beton 80% weniger eingebettetes CO2 und dürften bald netto positiv sein. Hilber fügt hinzu, dass ein 10.000 m2 grosses Bürogebäude mit hybriden Deckensystemen, das mit erneuerbaren Energien bewirtschaftet wird, in vierzig Jahren die Netto-Null erreicht haben wird. Danach ist es netto positiv.

„Wir verbrauchen keine Ressourcen, wir leihen sie uns einfach von der Natur. Das Lehmmaterial kann zum Beispiel endlos wiederverwendet oder in die Natur zurückgeführt werden“, sagt Hilber.

Das Start-up industrialisiert die vorgefertigten Module, die in Zusammenarbeit mit ZPF Ingenieure und Herzog & de Meuron konzipiert und designt und von der Schweizer Immobiliengesellschaft Senn für das Haus der Forschung, Technologie, Utopie und Nachhaltigkeit (HORTUS) in Basel in der Schweiz entwickelt wurden.

Rematter hat vor kurzem eine Partnerschaft mit der ETH Zürich geschlossen, um einen 8 Mio. Schweizer Franken schweren Fonds zu gründen, der den breiteren Einsatz von Lehm-Holz-Strukturen beschleunigen soll. Die aktuelle Projektpipeline umfasst Schulen sowie Wohn- und Bürogebäude. Ziel ist es, bis 2028 jährlich 900.000 m2 Deckenelemente zu produzieren – das entspricht der Fläche von 90 Fussballfeldern.

„HORTUS ist das Flaggschiff-Projekt für Lehm-Holz-Decken. Rematter wird diese Lösung skalieren und für die breite Masse zugänglich machen“, sagt Hilber.

Einblicke für Investoren

  • Von Zsolt Kohalmi, Deputy CEO & Global Head of Real Estate, Pictet Alternative Advisors
  • Angesichts der zunehmenden Verstädterung, insbesondere in den Schwellenländern, sucht die Baubranche nach Möglichkeiten, Gebäude nachhaltiger zu machen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur sind die weltweiten Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden von 140 Mrd. US-Dollar im Jahr 2015 auf geschätzte 190 Mrd. USD im Jahr 2021 gestiegen.
  • Die Frage, wo Investitionen am besten hingelenkt werden und welches Ergebnis in puncto Klimafreundlichkeit sich erreichen lässt, muss für Industrie- und Schwellenländer unterschiedlich beantwortet werden. In den Industrieländern, mit ihrem grossen Gebäudebestand, geht es vorrangig um Nachrüstung (Retrofitting), was über 50% CO2-Emissionen gegenüber einem Neubau einspart. In den Schwellenländern, wo es nicht genügend Gebäude gibt, muss die Lösung vor allem in Innovation liegen, wie wir nachhaltiger bauen können.
  • In den Industrieländern, die bereits über einen ausreichenden Gebäudebestand verfügen, müssen wir nach Möglichkeit ein Retrofitting in Betracht ziehen. Die Umwandlung von Büro- in Wohngebäude beispielsweise dürfte in den nächsten Jahren allein in den zehn grössten europäischen Städten Investitionsmöglichkeiten von über 100 Mrd. Euro bieten (Quelle: JLL).

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