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April 2016
Marketingdokument

Die neue Normalität am Anleihenmarkt

Sébastien Eisinger und Elena Mendez Fraboulet erklären wie die rückläufige Liquidität den Anleihemarkt neu gestaltet.

Die Liquidität der Anleihenmärkte scheint sich aktuell zu verschlechtern. Können Sie entsprechende Anzeichen bestätigen?

EMF. Wir beobachten Tag für Tag, dass die Liquidität zurückgeht. Die Zahl der Gegenparteien unserer Anleihenhändler ist geringer als vor einigen Jahren. Hinzu kommt, dass die Handelsbücher dieser Gegenparteien aufgrund der strengeren Regulierung der Finanzmärkte weniger Positionen enthalten als in der Vergangenheit. 

Wir beobachten Tag für Tag, dass die Liquidität zurückgeht.

Für Investment Manager wird es zunehmend schwierig, Anleihen zu einem aus ihrer Sicht attraktiven Preis zu kaufen oder verkaufen. Früher beschränkten sich diese Probleme auf den Markt für High-Yield- Anleihen. Mittlerweile gehören sie jedoch auch in der Investmentgrade-Kategorie zum Alltag – das heisst in einer Anlageklasse, in der Liquidität bislang eine Selbstverständlichkeit war.

SE. Die Zahlen, die die Schwächung der Marktinfrastruktur aufzeigen, sind eindrücklich: Vor der neuen Regulierung im Jahr 2007 beliefen sich die Bestände an US-Unternehmensanleihen bei den Broker/Dealer- Unternehmen auf knapp über USD 400 Mrd. Dieser Wert beziffert das Volumen, dass sie für künftige Geschäfte zu halten bereit waren.

Heute liegen die Bestände bei rund USD 50 Mrd. Diese drastische Absenkung kommt in einer Phase, in der die Emissionen von Unternehmensanleihen im Rekordtempo ansteigen: Von 2000 bis 2008 wurden jährlich neue Unternehmensanleihen für durchschnittlich knapp USD 800 Mrd. begeben. Dieser Wert kletterte von 2009 bis 2015 auf USD 1,24 Bio.(1)

Wie hat Pictet Asset Management seinen Anlageprozess angepasst, um die Risiken dieser schwierigeren Handelsbedingungen abzufedern? Spielen die Anleihenhändler heute beispielsweise eine wichtigere Rolle als früher?

SE. Unseren Händlern kommt traditionell eine zentrale Stellung in unserem Anlageprozess zu. Ihre Verantwortung beschränkte sich noch nie auf die reine Ausführung von Kauf- und Verkaufsaufträgen. Die Aufgabe der Händler verändert sich jedoch durch die sinkendende Liquidität. Mittlerweile stellen sie den Portfoliomanagern umfassende Informationen zur Liquidität zur Verfügung, sodass Handelsideen unter dem Aspekt der verfügbaren Liquidität auf ihre Durchführbarkeit hin geprüft werden können.

Die Aufgabe der Händler verändert sich.


Ausserdem setzen die Händler vermehrt neue Technologien ein. Pictet Asset Management hat Tools eingeführt, die Händler bei den entscheidenden Vorhandels-, Echtzeit- und Nachhandelsanalysen unterstützen. Auf dieser Basis können sie möglichst effizient und effektiv Liquidität ausfindig machen. Darüber hinaus werden unterschiedliche Handelsstile eingesetzt, um die bestmögliche Ausführung für unsere Kunden zu gewährleisten.

Hierzu gehören auch die Nutzung von Vorhandelsplattformen und Dark Pools sowie der algorithmische oder regelgestützte Handel. Dank dieser verschiedenen Stile wissen wir genauer, welche Strategie für den einzelnen Auftrag und damit für unsere Kunden am besten geeignet ist.

EMF. Die verschärften Handelsbedingungen bringen mit sich, dass die Änderung der Portfoliozusammensetzung teurer wird. Unsere Investment Manager haben sich deshalb auf mehreren Ebenen angepasst: Zum einen ändern sie die Zusammensetzung der Anlagen tendenziell seltener als in der Vergangenheit. Gleichzeitig greifen sie verstärkt auf Derivate zurück, um Anlagen gegen kurzfristige Volatilität abzusichern oder andere Risiken zu mindern. Denn häufig sind diese Instrumente liquider als viele andere Anleihearten, und sie eignen sich dazu, die Sensitivität eines Portfolios gegenüber den Zinsen, den Renditekurven oder den Kreditmarkt-Indizes zu steuern.

Credit-Default-Swap-Indizes sind beispielsweise bemerkenswert liquide Instrumente. Für Investment Manager stellen sie eine kostengünstige Möglichkeit dar, das aggregierte Bonitätsrisiko (Kredit-Beta) eines Portfolios bzw. dessen Sensitivität gegenüber Veränderungen der wahrgenommenen Bonität von Unternehmensschuldnern zu kalibrieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Investment Manager ihre Positionen länger halten, jedoch gleichzeitig den Einsatz liquider Derivate optimieren, um das Portfolio vor kurzfristigen Marktschwankungen zu schützen.

Wie gehen Sie vor, um die inhärenten Liquiditätsrisiken von Fixed-Income-Portfolios akkurater zu ermitteln?

EMF. Wenn ein Kunde fragt „Wie liquide sind meine Anlagen?“, möchte er eigentlich wissen: „Welchen Anteil meiner Anlage könnte ich realistisch betrachtet innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens ohne übermässige Handelskosten verkaufen?“

Handelskosten, -grösse und -ausführung
Zusammenhang zwischen Transaktionskosten, Transaktionsvolumen und Ausführungsdauer einer Transaktion. 
Quelle: Pictet Asset Management
Unser Fixed Income Risk Team arbeitet mit einem neuen Tool, das hoffentlich eine Antwort auf diese komplexe Frage liefern wird. LiquidityMetrics – ein neues, von MSCI entwickeltes Modell – quantifiziert die Portfolioliquidität, indem der Zusammenhang zwischen dem Transaktionsvolumen und der Ausführungsdauer in Tagen sowie den Ausführungskosten in Basispunkten analysiert wird.

Anders ausgedrückt: Wenn ein Kunde einen Teil seiner Anlage veräussern möchte, könnte das Modell ermitteln, ob und in welchem Umfang die Handelskosten und die Ausführungsdauer in Abhängigkeit vom Volumen der geplanten Transaktion variieren. Unter sonst gleichen Bedingungen gilt: Je grösser das Transaktionsvolumen, umso höher die potenziellen Kosten und umso länger die Ausführungsdauer. Die liquidesten Portfolios wären demnach diejenigen, bei denen das Transaktionsvolumen keine oder kaum Auswirkungen auf die Handelskosten oder die Ausführungsdauer hat.

Immer mehr Fixed-Income-Fonds bieten tägliche Liquidität. Verschärft diese Entwicklung die Situation zusätzlich? Stellen grosse Anleihenfonds angesichts der rückläufigen Liquidität ein systemisches Risiko dar?

SE. Einige Branchenexperten glauben, die steigende Zahl von Anleihenfonds mit täglicher Liquidität beziehungsweise mit der Option, Bestände mit einem Tag Vorlaufzeit zu liquidieren, bedrohe die Marktstabilität. Darin liegt eine gewisse Wahrheit: Ist es sinnvoll, einem Kunden tägliche Liquidität zu bieten, wenn bestimmte Anleihen eines Fonds nicht so liquide sind, dass sie täglich gehandelt werden können? Aus meiner Sicht nicht. Dieses Missverhältnis kann zu Problemen führen.

Ausserdem müssen Asset Manager, die tägliche Liquidität anbieten, für einen entsprechenden Schutz der anderen Kunden sorgen, die nicht an einem häufigen Handel interessiert sind. Entscheidet sich ein Anleger kurzfristig für eine umfangreiche Transaktion, beeinträchtigt dieses Geschäft potenziell den Wert des gesamten Portfolios – zulasten der übrigen Anleger des Fonds. Es gibt verschiedene Instrumente, um Portfolios vor der Gefahr einer Verwässerung zu schützen, die jedoch nicht immer ausreichen.

Deshalb bieten wir keine tägliche Liquidität an, wenn diese Möglichkeit die Anlagen der anderen Kunden beeinträchtigen würde, die nicht in dieser Häufigkeit handeln müssen oder möchten. Denn wir sind stets den Interessen aller unserer Kunden verpflichtet.

Asset Manager müssen für einen entsprechenden Schutz der anderen Kunden sorgen, die nicht an einem häufigen Handel interessiert sind.

Grundsätzlich können fast alle Anleihen kurzfristig ver- und gekauft werden – mit entsprechenden Zugeständnissen beim Preis. Es ist unsere Pflicht als Investment Manager, Anleger immer wieder an diese Tatsache zu erinnern. Um der Asset-Management-Branche gerecht zu werden, sei jedoch gesagt, dass sie allmählich beginnt, diese Botschaft zu kommunizieren. In Zukunft müsste sie hierfür lediglich noch klarere Worte finden.

EMF. Die Beliebtheit von Fonds mit täglicher Liquidität ist jedoch nicht der einzige Knackpunkt. Das Aufkommen der „Mammut-Fonds“ spielt ebenfalls eine Rolle. In jüngster Zeit wurde deutlich: Wenn diese Fonds grosse Positionen in weniger liquiden Instrumenten glattstellen müssen, löst dies eine starke Volatilität am Markt aus.Hinzu kommt, dass es für sie schon allein aufgrund ihrer Grösse schwierig wird, eine attraktive Rendite für Anleger zu erzielen. Aus meiner Sicht müssen Vermögensverwalter bei sinkender Liquidität das Volumen ihrer Anleihenfonds rigoroser steuern – vermutlich über niedrigere Kapazitätsobergrenzen. Pictet Asset Management hat sich in den vergangenen Jahren bereits intensiv mit diesem Thema befasst.

Stellt der elektronische Handel aus Ihrer Sicht eine Option für Anleihenmärkte dar? In welchem Ausmass nutzt Pictet Asset Management bereits automatisierte Handelsplattformen?

SE. Im Fixed-Income-Segment ist es seit jeher schwierig, den elektronischen Handel zu etablieren. Der Markt eignet sich nicht ohne Weiteres für den elektronischen Handel, weil es schlicht zu viele festverzinsliche Wertpapiere gibt. Viele der derzeit gängigen Systeme versuchen einfach, Anleger zusammenzubringen, die genau dasselbe Wertpapier handeln. Dies ist ein sehr kompliziertes Unterfangen.

Es gibt jedoch einen anderen Weg, der allerdings sowohl einen Einstellungswandel bei den Marktteilnehmern als auch umfangreiche Technologieinvestitionen voraussetzt.

Wenn Asset Manager in Zukunft einen liquideren Markt anstreben, müssen sie die Rolle des Preissetzers übernehmen.

Denkbar wäre eine Plattform, die allen Akteuren des Fixed-Income-Universums – also Marktintermediären wie Investmentbanken und Endanlegern wie Asset Managers – gleichermassen den Austausch ihrer Kauf-/Verkaufkurse ermöglicht.

In diesem Szenario müssten Asset Manager indes eine neue Rolle akzeptieren, nämlich die des Preissetzers. Zu lange hat sich die Investment-Management-Branche in puncto Liquidität nur auf die von den Investmentbanken bereitgestellte Liquidität verlassen. Sie unterstützte den Handel nicht wirklich. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Wenn Asset Manager in Zukunft einen liquideren Markt anstreben, müssen sie – und nicht die Investmentbanken – die Rolle des Preissetzers übernehmen. Dies erfordert wiederum neue Kompetenzen. Aktuell befinden wir uns in einer Testphase. Wir erproben verschiedene Modelle, um schlussendlich das für unsere Fixed-Income-Manager und für unsere Kunden optimale zu finden.

Der Fixed-Income-Bereich von Pictet Asset Management dringt also in unbekanntes Terrain vor?

SE. Nicht wirklich. Wie verfügen über weitreichende Anlageerfahrung in einem der illiquidesten Rentenmärkte Europas, der Schweiz. Über die Jahre haben wir viele Lektionen aus der Anlage in Schweizer Anleihen gelernt. Jetzt können wir diese auf andere Märkte übertragen, die Illiquiditätsphasen durchlaufen, wie wir sie aus der Schweiz bereits kennen. 

Wir wissen, was uns in weniger liquiden Anleihemärkten erwartet und wie wir das Problem meistern.

Unsere Erfahrung mit High-Yield- und Schwellenländer-Papieren aus der Zeit, als beide noch Nischenmärkte waren, kommt uns ebenfalls zugute. Wir wissen, was uns in weniger liquiden Obligationenmärkte erwartet und wie wir das Problem meistern.