Die weltweiten Aktienmärkte scheinen an einem Wendepunkt angelangt zu sein. Das Wirtschaftswachstum hat den Zenit überschritten, die Zinssätze steigen und die Bewertungen erscheinen überzogen. Daher gibt es nach fast einem Jahrzehnt ungewöhnlich günstiger Bedingungen Hinweise darauf, dass die Märkte jetzt zu einem „normaleren“ Verhalten zurückkehren. Das könnte für die Zukunft höhere Volatilität und niedrigere Renditen an den grossen Aktienmärkten bedeuten.
Für genau dieses Umfeld wurde der Long/Short-Investmentansatz für Aktien ursprünglich konzipiert. Solche Strategien verfolgen das Ziel, bei Marktaufschwüngen die Marktrenditen nachzubilden und bei einer Verschlechterung des Investmentklimas Kapital zu schützen. Möglich ist dies, weil sowohl Long- als auch Shortpositionen in Wertpapieren aufgebaut werden. Mit anderen Worten: Die Strategien können in Unternehmen mit den stärksten Wachstumsaussichten investieren und gleichzeitig Shortpositionen in Unternehmen aufbauen, denen ein langfristiger Rückgang der Rentabilität droht.
Die Fähigkeit einer Long/Short-Strategie, Volatilität abzuschwächen und Verluste zu begrenzen, hat eine besonders hohe Bedeutung. Aufgrund des Kumulierungseffekts der Renditen ist es zum Beispiel so, dass ein Rückgang des Werts von Anlagen um 25% nur mit einem anschliessenden Anstieg von 33% wieder vollständig ausgeglichen werden kann.
In den letzten Jahren war eine solche Fähigkeit angesichts der ungewöhnlich hohen Aktienerträge und der recht ruhigen Verhältnisse am Markt nicht ganz so wichtig.
Künstlich niedrige Zinssätze und massive quantitative Lockerung hielten die Volatilität an den Aktienmärkten in Schach und schufen ideale Bedingungen, damit Einzelwerte mehr oder weniger im Gleichschritt zulegten.
Anfang 2018 jedoch besonnen wir uns wieder auf den Nutzen des Long/Short-Ansatzes. Im Februar dieses Jahres brach der S&P 500 um mehr als 10% ein, während der HFRX Equity Hedge Index – der die aggregierte Performance von Long/Short-Strategien misst – nur 3,7% verlor.
Unserer Ansicht nach könnte die Marktbaisse von Februar ein Vorgeschmack auf die Volatilität sein, die uns erwartet, wenn sich die Märkte wieder „normalisieren“.
In der Vergangenheit haben die Anleger in derart turbulenten Zeiten ihr Aktienengagement reduziert und sich Anleihen zugewandt. Heute aber dürfte diese Strategie nicht aufgehen: Anleihen scheinen einen Teil ihres Diversifizierungsvorteils eingebüsst zu haben und tendierten in den letzten Jahren dazu, unisono mit Aktien zu steigen und sich zu korrigieren.
Im Gegensatz dazu ist die Korrelation der Renditen der Einzelwerte im S&P 500 Index so niedrig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr (siehe Abbildung). In Europa ist die Korrelation zwar etwas höher, ist aber auch dort auf ein Niveau wie zuletzt vor vielen Jahren zurückgegangen. Das könnte ein lohnendes Umfeld für Stockpicker sein – vor allem für Long/Short-Manager, welche die Möglichkeit haben, Renditen sowohl mit starken als auch mit schwachen Performern zu erwirtschaften.
Wenn die Zentralbanken ihre geldpolitischen Zügel anziehen, dürfte diese Phase der höheren Dispersion weiter andauern. Und wenn die Ära des günstigen Geldes vorbei ist, werden die Fundamentaldaten der Unternehmen auseinanderdriften: Unternehmen mit schlechtem Management, schwachen Geschäftsmodellen oder niedrigen Margen werden es schwer haben, sich über Wasser zu halten – aber gerade dadurch eröffnen sich mehr Shortselling-Chancen.
Long/Short-Manager werden somit in der Lage sein, ihre Bottom-up-Analysen und Stockpicking-Fähigkeiten optimal auszunutzen und auf diese Weise Überrenditen sowohl aus potenziellen Gewinnern als auch Verlierern zu erzielen.
In der Vergangenheit erzielten Long/Short-Manager in Zeiten höherer Zinssätze und höherer Anleiherenditen in der Regel höhere durchschnittliche monatliche Überrenditen als der Markt (siehe Abbildung unten). Als beispielsweise die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe ihren höchsten Stand erreichte (erstes Quintil), lag auch die durchschnittliche monatliche Überrendite des HFRI Equity Hedge Index gegenüber dem S&P 500 TR Index auf ihrem Höchststand.
Wir denken, dass Hedgefondsstrategien eine von zwei Rollen in einem Portfolio spielen können: als Substitute, d.h. als Ersatz für andere Anlageklassen, oder als diversifizierende Elemente. Long/Short-Aktienstrategien können ein Substitut für die gesamte Long-Aktienallokation oder einen Teil davon sein und das Risiko-Rendite-Profil verbessern.
Unser Research hat auch ergeben, dass während der beiden grossen Haussephasen der letzten 20 Jahre – Januar 1999 bis September 2002 und Oktober 2007 bis Februar 2009 – Long/Short-Aktienfonds einen weitaus grösseren Kapitalschutz für die Anleger boten.
Hinzu kommt, dass Long/Short-Aktienportfolios im Gegensatz zu einigen anderen diversifizierenden Anlagenklassen wie Immobilien oder Private-Equity in liquide Instrumente investieren. Zudem sind die Anleger dadurch geschützt, dass der europäische Rahmen für Investmentfonds (OGAW-Richtlinie), in den sich Long/Short-Aktienstrategien hervorragend einfügen, eine hohe Transparenz und regulatorische Kontrolle bietet.
Unser Fazit lautet daher, dass die aktuellen Marktbedingungen einen agileren Ansatz für Aktieninvestments erforderlich machen. Die Einbeziehung von Long/Short-Aktienstrategien im Rahmen eines breiteren Engagements an den Aktienmärkten kann gewissen Schutz vor Abwärtstendenzen bieten – eine Absicherung, die sich vor allem dann als sinnvoll erweist, wenn sich die Markte wieder auf Berg- und Talfahrt begeben.
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