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Anleihen und Inflation

Mai 2021
Marketingdokument

Realrenditen geben den Ton an

Anleiheanleger orientierten sich beim Portfolioaufbau an verschiedenen Indikatoren, aber was wirklich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit verdient, ist die Realrendite.

Man kann nachvollziehen, dass Anleiheanleger sich gerade ein wenig desorientiert fühlen. Was uns die Vergangenheit gelehrt hat, ist zu Zeiten einer globalen Pandemie kaum anwendbar. Es gibt auch kein praktisches Playbook, in dem detailliert beschrieben wird, was uns erwartet, wenn die riesige Welle fiskal- und geldpolitischer Impulse bricht. Und dennoch gibt es in dieser unwirtlichen Landschaft einen Indikator, dessen Relevanz für den Portfolioaufbau ungebrochen ist: die Realrendite.

Realrenditen, d.h. die annualisierte Rendite, die eine Benchmark-Staatsanleihe nach Berücksichtigung der Inflation erzielt, können ein zuverlässiger Hinweis auf zukünftiges Wirtschaftswachstum und Geldpolitik sein. Sie sind auch massgeblich für die Attraktivität riskanterer festverzinslicher Anlagen und Währungen.

Realrenditen stehen in besonders enger Beziehung zur Rendite der 10-jährigen US-TIPS, den inflationsgeschützten Staatsanleihen, die zu den weltweit am stärksten gehandelten und liquidesten inflationsindexierten Anleihen („Linker“) gehören.

Seit einigen Jahren sind die Renditen von US-TIPS, deren Kapital- und Nominalkuponzahlungen an den US-Verbraucherpreisindex gekoppelt sind, negativ und liegen derzeit 0,92% unter Null.Dieser ungewöhnlich niedrige Wert zeugt von der ultralockeren Politik der Zentralbanken, mit der die Wirtschaft belebt werden soll, und hat zur Folge, dass Investments in scheinbar sichere US-Staatsanleihen auf Realbasis langfristig ein Verlustgeschäft sein werden.


Abb. 1 – Inflation aufgeschlüsselt

Reale, nominale und Breakeven-Inflation, %

fig1 breakevens.png

Quelle: Bloomberg, Pictet Asset Management; Daten von 10-jährigen US-Staatsanleihen und 10-jährigen US-TIPS im Zeitraum 05.06.2020–31.03.2021.

Die negativen Realrenditen haben sich auch auf die Risikoberechnungen ausgewirkt. Die Erkenntnis, dass ein Anlageklassiker wie US-Staatsanleihen Verluste bringen könnte, hat dazu geführt, dass Investoren risikoreichere festverzinsliche Wertpapiere in ihre Portfolios aufgenommen haben.

All das erklärt, warum ein möglicher Anstieg der US-Realrenditen in den kommenden Monaten einen starken Einfluss auf das Investitionsgeschehen haben könnte.

Die globale Wirtschaft erholt sich nach und nach von der Pandemie, sodass die Zentralbanken irgendwann ihre geldpolitischen Impulse, die sich in den vergangenen 12 Monaten auf 8 Bio. US-Dollar beliefen, zurückfahren werden.2 Das Tempo der geldpolitischen Normalisierung und die Höhe der Inflation, die bei der Straffung der Geldpolitik toleriert werden wird, könnten die Risiko- und Renditeberechnungen für die einzelnen festverzinslichen Anlagen – von Staatsanleihen über Unternehmensanleihen bis hin zu Schwellenländeranleihen und -währungen, auf den Kopf stellen.

Durch Beobachtung der Realrendite erhalten Investoren unschätzbare Einblicke, wie die weitere Entwicklung aussehen könnte. Um zu verstehen, wie wichtig diese Messgrösse ist, müssen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Realrendite und Nominalrendite auseinandersetzen.

Dem Renditeabstand zwischen herkömmlichen und inflationsgebundenen Anleihen kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Die Breakeven-Rate beschreibt das Niveau, bei dem es Investoren unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen über den Preisdruck in der Wirtschaft gleichgültig ist, ob sie in den einen oder anderen Typ Wertpapier investieren. Anders ausgedrückt: Die Differenz stellt die bestmögliche Einschätzung des Marktes zur künftigen Höhe der Inflation dar. Je grösser der Abstand, desto höher ist die erwartete Inflation und umgekehrt (siehe Abb. 1).


Die vier Realrendite-Regime

Durch Aufschlüsselung des Breakeven in seine Bestandteile erhalten Investoren wichtige Hinweise auf den künftigen Entwicklungskurs der Märkte, der Geldpolitik und der Wirtschaft.

Unsere historische Analyse3 dieser Dynamiken zeigt, dass es vier verschiedene Realrendite-Phasen oder -Regime gibt. Jedes Regime, das jeweils eigene Auswirkungen auf Investments hat, zeichnet sich durch eine spezifische Kombination aus Bewegungen sowohl bei der Realrendite als auch der Breakeven-Rate aus.

In Regime 1 steigt die Breakeven-Inflation, und das hauptsächlich aufgrund eines stetigen Rückgangs der Realrenditen. In dieser Phase verfolgen die Zentralbanken über einen längeren Zeitraum eine Zinssenkungspolitik, um die Wirtschaft zu stützen. Dabei tolerieren sie eine etwaige höhere Inflation. Eine niedrigere oder fallende Realrendite verbessert auch deutlich die Risiko-Rendite-Merkmale höherrentierlicher festverzinslicher Anlagen und Währungen; der US-Dollar verliert an Wert.

In Regime 2 steigt die Breakeven-Inflation, diesmal jedoch aufgrund einer kontinuierlichen Aufwärtsbewegung sowohl bei den Nominal- als auch den Realrenditen. In dieser Phase ist eine weitere geldpolitische Lockerung unwahrscheinlich, da die Zinssätze vermutlich bereits ihren tiefsten Stand erreicht haben; die wirtschaftliche Erholung ist bereits in vollem Gange. Gleichzeitig gehen die Renditen risikoreicherer Anlagen wie z.B. Schwellenländeranleihen oder spekulativen Anleihen zurück. US-Staatsanleihen geraten unter Druck.


Abb. 2 – Realrendite-Regime
Fig2 regimes.png

Quelle: Bloomberg, Pictet Asset Management; Monatsrenditen der Anlageklassen im Zeitraum 31.12.1999–31.03.2021. Dollarrendite gemäss Dollar Spot Index. Renditen von Industrieländeranleihen gemäss folgenden Bloomberg Barclays Indizes: US Treasury Index, US Corporate Index, US Corporate High Yield Index, Pan-European Corporate Index, Pan-European High Yield Index. Renditen von Schwellenländeranleihen und -währungen gemäss: JPMorgan EMBI Total Return Index, JP Morgan CEMBI Broad Diversified Composite Index, MSCI Emerging Markets Currency Index.

Das Hauptmerkmal von Regime 3 ist ein Rückgang der Breakeven-Inflation, der durch einen Anstieg der Realrenditen bedingt ist. In dieser Phase beginnen die Zentralbanken in der Regel, die geldpolitischen Impulse zurückzufahren, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern. Der US-Dollar wertet tendenziell stark ab, vor allem gegenüber Schwellenländerwährungen. Steigende Realrenditen ziehen auch die Bewertungen risikoreicherer Anlageklassen nach unten. Dadurch wird die Risikobereitschaft der Anleger geschmälert und es kommt zu einem Rückgang bei höherverzinslichen Anleihen und Schwellenländeranleihen. Defensive Anleihen höherer Qualität wie Staats- und Investment-Grade-Anleihen entwickeln sich überdurchschnittlich gut.

In Regime 4 sinkt die Breakeven-Inflation, da sowohl die Nominal- als auch die Realrenditen fallen. Darin spiegelt sich eine drastische Verschlechterung der Wirtschaftsbedingungen wider, sodass die Zentralbanken am Ende gezwungen sind, die Zinssätze zu senken. Da die Wahrscheinlichkeit eines Konjunktureinbruchs und einer Deflation zunimmt, bleiben die Renditen von risikoreicheren Anleihen niedrig, der US-Dollar verharrt in einer engen Bandbreite und Staatsanleihen und andere Anleihen mit höherem Rating bleiben stabil.

Der aktuelle Stand

Aus dieser Perspektive betrachtet wird deutlich, dass die Märkte sich seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 über grosse Strecken in Regime 1 bewegt haben. In dieser Zeit gingen die Realzinssätze zurück, die Breakeven-Inflation stieg, risikoreichere Anlageklassen (siehe Abb. 3) und Währungen legten zu und der US-Dollar wertete ab.

Dies geschah, weil Regierungen und Zentralbanken in aller Welt massive geld- und fiskalpolitische Impulse gaben – in einer Grössenordnung wie zuletzt nach Ende des Zweiten Weltkriegs. In den ersten Tagen des Jahres 2021 scheint sich das Blatt gewendet zu haben, als klar wurde, dass sich Demokraten nach Joe Bidens Wahlsieg im November die Mehrheit in beiden Kammern des amerikanischen Kongresses sichern konnten. Zu diesem Zeitpunkt verlagerte sich die Aufmerksamkeit auf Bidens ehrgeizige öffentliche Ausgabenagenda, und alles, was man bisher über Wirtschaftswachstum, Inflation und Staatsschulden angenommen hatte, wurde auf den Kopf gestellt. Dies markierte den Übergang in Regime 2, wo die Breakeven-Inflation infolge eines Anstiegs sowohl der Nominal- als auch der Realrenditen zunahm.

Abb. 3 – Realrendite-Regime während COVID-19
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Quelle: Bloomberg, Pictet Asset Management; Daten zu folgenden Wertpapieren: 10-jährige US-Staatsanleihe, 10-jährige US-TIPS, US Dollar Index Kassakurs im Zeitraum 31.05-2020–31.03.2021.

Mit Blick auf die Zukunft lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass ein Übergang zum dritten Regime Ende 2021 durchaus plausibel erscheint – mit der Beschleunigung der Impfkampagnen und der sukzessiven Wiederöffnung der Volkswirtschaften. Die US-Notenbank würde dann ihr Anleihekaufprogramm zurückfahren und die Realrenditen würden steigen. Das würde sich nachteilig auf risikoreichere Anleihen wie Hochzins- und Schwellenländeranleihen auswirken.

Dennoch zeigen unsere Analysen, dass es keine feste Abfolge bei den Übergängen in die verschiedenen Regime gibt – ein Wechsel von Regime 2 in Regime 3 ist nicht zwangsläufig wahrscheinlicher als ein Übergang von Regime 2 in Regime 1. Entscheidend ist an dieser Stelle, wie schnell die geldpolitischen Impulse nach Einschätzung der Fed zurückgekommen werden können. Eine Möglichkeit, in Regime 2 zu bleiben, wäre die Zusage der Zentralbank, das Volumen ihrer Anleihebestände vorerst nicht zu reduzieren.

Doch egal, welcher Übergang uns erwartet, Investoren sollten der Realrendite ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken.

Dieser Indikator war schon immer eine gute Orientierungshilfe. Ihn jetzt zu ignorieren, wäre leichtsinnig.