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China und die Anleihemärkte der Schwellenländer

Januar 2022
Marketingdokument

China isoliert von den Schwellenländern betrachten

Für viele InvestorInnen ist China der Schlüssel zu den Schwellenländern. Es ist jedoch an der Zeit, beide Universen isoliert zu betrachten.

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China und Schwellenländer

Es gibt gute Gründe, warum man China getrennt vom übrigen Schwellenländeruniversum betrachten sollte.

Obwohl das Land immer noch weit vom Status einer Industrienation entfernt ist, hebt es sich aufgrund seiner Grösse, Wirtschaftskraft und Reife von Teilen der Wirtschaft von anderen Schwellenländern ab. 

Die meisten InvestorInnen denken beim Thema Schwellenländer sofort an China, aber sie wären gut beraten, China und den Rest des Schwellenländeruniversums getrennt voneinander zu betrachten.

Viele Schwellenländer sind bei verschiedenen sozialen Indikatoren mindestens genauso gut aufgestellt wie China vor 30 Jahren, als dessen Wirtschaft anfing, sich richtig zu entwickeln. Dies deutet darauf hin, dass auch sie sich in einer guten Position für eine starke, nachhaltige Entwicklung befinden. Darüber hinaus sind sie vermutlich besser in der Lage, Verbesserungen bei ESG-Kennzahlen zu erreichen.

 
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Die grosse Kluft

China spielte zweifellos eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Schwellenländeranleihen als unabhängige Anlageklasse, insbesondere nach dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001. Die immer grösser werdende Rolle Chinas im Welthandel hat das Land zu einem Wirtschaftsmotor für die Schwellenländer gemacht.

Das spiegelt sich auch in der steigenden Anzahl der Länder im EM-Index für Hartwährungsanleihen (von 30 auf 75 in den letzten drei Jahrzehnten), in der Grösse des Anleihemarktes und im Anteil der Schwellenländer am globalen Anleihemarkt wider, auch ohne China.

Abb. 1 – Zunehmende Dominanz
Chinesische Wirtschaft in % des globalen BIP
China BIP
Quelle: IMF, Bloomberg, Pictet Asset Management. Daten vom 11.01.2022.

Doch mit  dem politischen Aufstieg von Xi Jinping – seit 2013 Präsident des Landes – hat sich China immer mehr auf sich selbst konzentriert. Das gipfelte in der Kampagne „Gemeinsamer Wohlstand“, die 2021 angestossen wurde. Gleichzeitig machen sich andere Schwellenländer von ihrer Rolle als blosse Zahnräder in der chinesischen Wirtschaftsmaschinerie frei. 

Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen China und dem übrigen Schwellenländeruniversum sind natürlich stark, dürfen aber nicht überbewertet werden. Beispielsweise ist die Europäische Union insgesamt ein grösserer Handelspartner für die Schwellenländer als China. Auf die EU entfallen 21,3% des gesamten Exportvolumens der Schwellenländer, auf China nur 18,8%.1 Gleichzeitig stellen die EU und das Vereinigte Königreich 52% des Kapitals für die Schwellenländer bereit. 

03

Ein Index-Schwergewicht?

Auf den ersten Blick scheint es nicht problematisch zu sein, dass die Gewichtung Chinas in den Schwellenländer-Anleiheindizes immer grösser wird – anders als bei Aktien. Chinesische Anleihen machen nur 10% des JP Morgan EM Local Currency Bond Index (GBI-EM GD) und etwas weniger als 5% des auf Hartwährung lautenden EM Bond Index (EMBI Broad GD) aus.2

Abb. 2 – Kapitalbeschaffung
Kapitalisierung am Anleihemarkt der Schwellenländer (Mrd. USD)
Schwellenländer Anleihemarkt Kapitalisierung
Quelle: JP Morgan. Daten vom 04.01.2022

Bei genauerem Hinsehen gibt es sehr wohl Probleme, nicht zuletzt die Dominanz Chinas im Hinblick auf die Beschaffung von Kapital aus aller Welt. Mit anderen Worten, es besteht das Risiko, dass das Land die anderen Schwellenländer nach und nach finanziell verdrängt. Eine Neubewertung Chinas im Verhältnis zum breiteren Schwellenländeruniversum könnte jedoch noch eine Kehrtwende und eine Umleitung der Geldflüsse bewirken. Dadurch wären die Schwellenländer auch insgesamt weniger abhängig von ausländischem Kapital – lokale InvestorInnen machen einen immer grösseren Anteil der Nachfrage nach Schwellenländeranleihen aus.

Zudem gibt es markttechnische Gründe, chinesische Anleihen getrennt von anderen Schwellenländeranleihen zu betrachten.

So ist beispielsweise die durchschnittliche Korrelation der Renditen chinesischer Hartwährungsanleihen zu anderen Ländern im EMBI-Index im Vergleich zu anderen Schwellenländern mit niedrigem Beta wie Chile, Malaysia und Panama gering.3 Diese Korrelationen wiederum hängen mit einer Reihe von Faktoren zusammen, wie unterschiedliche makroökonomische Gegebenheiten, andere wirtschaftliche Zusammensetzung und idiosynkratisches Risiko.

Darüber hinaus korrelieren chinesische Staatsanleihen in Lokalwährung nicht mit anderen chinesischen Risikowerten oder dem breiteren GBI-EM-Index.4 Somit tragen sie zur Diversifizierung von Portfolios mit Schwellenländeranleihen in Lokalwährung bei.

Abb. 3 – Das Universum wird grösser

JP Morgan Schwellenländer-Anleiheindizes, Anzahl der in jedem Index enthaltenen Länder nach Datum 

Anzahl Länder im Index
Quelle: JP Morgan. Daten vom 04.01.2022
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Exzellente Plattformen

Die sozialen Fundamentaldaten der Schwellenländer sind eine gute Grundlage für künftiges Wachstum. Sie liegen mehr oder weniger auf einem Niveau, auf dem sich China vor 30 Jahren befand, als sein Wachstumsschub einsetzte – die chinesische Wirtschaft ist seitdem laut IWF-Daten um durchschnittlich 9,1% jährlich gewachsen.5 Auch wenn andere Schwellenländer vermutlich nicht die rasante Entwicklung nehmen werden wie China ab 1990, so werden sie doch von einer starken Ausgangsbasis zulegen.

Nehmen wir als Beispiel die Lebenserwartung. 1990 lag sie in China bei 69 Jahren bei Geburt, 2019 waren es 71 Jahre in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. 2019 lag die Lebenserwartung in China bei 77 Jahren.6 Die Kindersterblichkeit ist in den Schwellenländern heute niedriger als vor 30 Jahren in China; die Anzahl der geborenen Kinder je Frau ist ungefähr gleich. Auch Chinas Anstieg der Urbanisierung von 26% der Bevölkerung vor drei Jahrzehnten auf 61% im Jahr 2019 ist bemerkenswert – derzeit liegt der Anteil der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei 51%.7

Der Abhängigkeitsquotient in China, d.h. der Anteil der Bevölkerung im nicht erwerbsfähigen Alter, also unter 14 Jahren und über 65 Jahren, ist seit 1990 von 52 auf 42 gesunken. In Volkswirtschaften mit niedrigem und mittlerem Einkommen liegt dieser Anteil bei 55.8 Aber während die Abhängigkeit sich 1990 in China noch auf die jüngeren Altersgruppen konzentrierte, hat sie sich nun zu den älteren Menschen verlagert. Im Gegensatz dazu zeigt das Altersprofil in anderen Schwellenländern immer noch eine stärkere Tendenz zu jüngeren Menschen. Das deutet darauf hin, dass der Zunder, der das Wachstum entfacht – also produktive Menschen, die in die Erwerbsbevölkerung eintreten – ein entscheidender Vorteil dieser Länder gegenüber China darstellt.

Die in China in der Vergangenheit verfolgte Politik der Geburtenkontrolle hat in der Theorie dazu geführt, dass jedes Ehepaar für die Pflege von vier älteren Elternteilen – und acht Grosselternteilen – verantwortlich ist. Mit der Zeit wird die Demografie dadurch zu einem immer bedeutenderen Faktor für die Lohnkosten in China werden. Damit fällt eine wichtige Quelle der chinesischen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Ländern oder Regionen mit besseren demografischen Profilen weg. Das Ergebnis könnte eine Verlagerung – zumindest im Ansatz – der Investitionen und Kapitalflüsse weg von China sein.  

Subsahara-Afrika, der Nahe Osten, Nordafrika und Südasien sind in dieser Hinsicht am besten aufgestellt. Auch Lateinamerika könnte aufgrund seiner Nähe zum US-Markt profitieren. Ob die Länder solche Zuflüsse überhaupt absorbieren könnten, ist ein anderes Thema, aber ESG-Faktoren spielen ganz klar eine Rolle, vor allem hinsichtlich der Staatsführung.

Abb. 4 – Mobile Innovation

Anzahl der Mobilfunkanschlüsse (pro 100 Einwohner) ggü. Anzahl der Patentanmeldungen (in Tsd.) in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen

Mobilfunkpatente
Quelle: World Bank World Development Indicators, Pictet Asset Management. Daten vom 04.01.2022

Unterdessen verbessern sich die Humankapitalindikatoren, was auf produktives Potenzial hindeutet. Die Alphabetisierungsrate in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen liegt bei 74% und damit nur leicht unter dem Wert, den China 1990 aufwies. Bis 2014 lag die Sekundarbildung in diesen Ländern bei 71% – im Vergleich zu 37% in China im Jahr 1990.9

Zudem könnte das Wachstum der Digitalisierung dazu führen, dass die Schwellenländer nicht die kostspielige kapitalintensive Infrastruktur aufbauen müssen, die für das Wachstum der Industrieländer entscheidend war. Dank der Mobiltelefontechnologie sind keine flächendeckenden, kostenintensiven Festnetzinfrastrukturen mehr notwendig. Der Zugang zu Informationen macht die Agrarmärkte effizienter, ermöglicht eine rasche Verbreitung neuer Ansätze und kann die Qualität der Bildung verbessern. Die Elektrizitätsinfrastruktur kann durch die Nutzung von Solar- und Windkraft lokal aufgebaut werden. Diese dynamischen technologischen Entwicklungen können zu schnellen Produktivitätssteigerungen führen, was wiederum die Kapitalflüsse ankurbeln wird. 

Auch wird dies dazu beitragen, dass in den Schwellenländern Institutionen reformiert und gestärkt werden – Rechtssysteme sind zuverlässiger, Behörden weniger korruptionsanfällig. Der durchschnittliche Korruptionswert von Transparency International für 33 führende Schwellenländer ist in den letzten Jahren gestiegen.10  Regierungen haben erkannt, dass es vernünftige Haushaltsvorschriften geben muss, und die Zentralbanken haben ein gewisses Mass an Unabhängigkeit erhalten.

05

Alternativ nachhaltig

Eine Sache bereitet China-InvestorInnen Sorge: das relativ schwache ESG-Profil. Obwohl China Verbesserungen vorgenommen hat, bleibt die Frage, wie engagiert sich das Land für die Erreichung der Pariser Klimaschutzziele und der COP26-Ziele einsetzt. Das macht andere Schwellenländer attraktiver – zumindest im Hinblick auf das Potenzial. 

Wir können natürlich nicht erwarten, dass sehr arme Länder dieselben Standards erfüllen wie die reichen (oder reicheren) Nationen. Daher haben wir eine Bewertungskennzahl entwickelt, die das Pro-Kopf-BIP sowie den Fortschritt und das Potenzial bei der Integration von Nachhaltigkeit berücksichtigt. Anhand dieser Kennzahlen lässt sich ein Portfolio aus Ländern aufbauen, die China angemessen ersetzen, mit gleichem Risiko- und Renditeprofil, aber mit besseren Nachhaltigkeitswerten.

Für kleinere Schwellenländer sind der Anreiz und der Spielraum für die Zusammenarbeit mit multilateralen Gebern grösser, weil sie sich dadurch die Mittel sichern können, die sie für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen für eine längerfristige nachhaltige Entwicklung benötigen. 

 
06

China hat Gewicht

Das Wachstumstempo Chinas mag sich verlangsamen, aber das Land ist immer noch ein starker Motor für die Weltwirtschaft. Es ist ein dominierender Konsument von Rohstoffen und ein riesiger Produzent von Fertigwaren. Aufgrund seiner gewaltigen Bevölkerung wird sich China in den kommenden Jahrzehnten zur grössten Wirtschaft der Welt entwickeln.

Es macht Sinn, China unabhängig vom breiteren Schwellenländeruniversum zu betrachten – und umgekehrt.

Aber all diese und weitere Faktoren sind gleichzeitig auch Gründe, warum wir der Meinung sind, dass China getrennt von anderen Schwellenländern betrachtet werden muss. Auch innerhalb der heterogenen Welt der Schwellenländer unterscheidet sich China erheblich. Es macht also Sinn, China unabhängig vom breiteren Schwellenländeruniversum zu betrachten – und umgekehrt.