Sustainability-Linked Bonds: Unternehmen in den Schwellenländern gehen mit gutem Beispiel voran
Unternehmen in den Schwellenländern setzen verstärkt auf einen neuartigen Anleihetyp, um ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu finanzieren.
Von
Qian Zhang
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Von überschwemmten Küsten bis hin zu potenziellen Einbrüchen bei der landwirtschaftlichen Produktion – die Schwellenländer sind viel anfälliger für die Auswirkungen der globalen Erwärmung als die reicheren Industrieländer.
Eine kürzlich von Pictet Asset Management in Auftrag gegebene Studie der Universität Oxford hat ergeben, dass ein ungebremster Klimawandel das globale Pro-Kopf-BIP bis 2100 um rund 45% senken könnte, wobei die wirtschaftlichen Verluste in den Schwellenländern der warmen Breitengrade, wie z.B. Indien, deutlich gravierender ausfallen werden.1
Aus dem Bericht geht aber auch hervor, dass die Entwicklungsländer viele Lösungen entwickeln könnten, um die globale Erderwärmung zu stoppen oder umzukehren.
In einigen Bereichen sind die Schwellenländer gut aufgestellt, um im Kampf gegen den Klimawandel eine führende Rolle zu übernehmen. Der Löwenanteil der Produktion von Photovoltaikzellen zum Beispiel entfällt auf China. Zudem ist das Land führend in der Forschung und Entwicklung und gehört zu den grössten Nutzern der Technologie. Und Indien verfügt über eines der weltweit grössten Programme zum Ausbau von erneuerbarer Energie, mit einer angestrebten installierten Kapazität von 175 Gigawatt bis 2022, das ist fünfmal so viel wie aktuell.
Die Rolle der Schwellenländer beim Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft nimmt am Markt für Unternehmensanleihen bereits Gestalt an.
Immer mehr Unternehmen führen nachhaltige Praktiken ein und nutzen dafür einen neuartigen Finanzierungskanal, um ihre Transformation zu finanzieren.
Diese innovativen Wertpapiere heissen Sustainability-Linked Bonds. Dabei handelt es sich um leistungsbezogene Schuldtitel, die mit spezifischen, unternehmensweiten Zielen für die Nachhaltigkeitsleistung (Sustainability Performance Targets, SPTs) – von Treibhausgasemissionen bis hin zur Wassernutzung – emittiert werden.2
Die Anleihen sind so strukturiert, dass sie Anreize für die Einführung nachhaltiger Geschäftspraktiken bieten. Erfüllt der Emittent seine Ziele nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens, erhöht sich der an die Investorinnen und Investoren zu zahlende Kupon um mindestens 25 Basispunkte pro Jahr.
Seit Jahresbeginn erfreuen sich Sustainability-Linked Bonds in den Schwellenländern zunehmender Beliebtheit. Emissionen von Sustainability-Linked Bonds haben sich in den ersten acht Monaten des Jahres 2021 auf 70 Mrd. US-Dollar vervierfacht; ihr Anteil an den gesamten Emissionen liegt mittlerweile bei 18,5% (siehe Abbildung) –
vor drei Jahren waren es noch weniger als 5%. Damit schliessen sie zu Europa auf, das wie keine andere Region ein derartiges Volumen dieser Wertpapiere emittiert hat.
Das Besondere an Sustainability-Linked Bonds ist, dass unternehmensweite Ziele darin eingebettet sind.
Dadurch unterscheiden sie sich von Sustainability und Green Bonds, mit denen Mittel für spezifische umwelt- oder nachhaltigkeitsorientierte Projekte beschafft werden.
Der Markt steckt nach wie vor in den Kinderschuhen und macht gerade mal 6% der gesamten Anleiheemissionen mit ESG-Label weltweit aus.3
Doch das Interesse seitens der Investorinnen und Investoren wächst, vor allem, weil sie von einer Verbesserung der Nachhaltigkeit des Unternehmens profitieren und Emittenten auswählen können, deren übergreifende Prioritäten sich mit ihren eigenen decken.
Zudem ist der Markt potenziell vielfältiger als jeder andere ESG-Anleihemarkt.
Green Bonds werden in aller Regel von Unternehmen begeben, die in Branchen tätig sind, in denen umfangreiche Umweltprojekte finanziert werden müssen. Der Markt wird von Energie-, Versorgungs- und Bauunternehmen dominiert.
Dagegen können Sustainability-Linked Bonds von Unternehmen aus praktisch allen Branchen emittiert werden – auch aus der Konsumgütertechnologie, die normalerweise keine grossen Umweltprojekte zu finanzieren haben.
Für Investorinnen und Investoren hat dies den Vorteil, dass die Auswahl grösser ist.
Der Ratingagentur Standard & Poor’s zufolge standen bisher rund 85% der in Sustainability-Linked Bonds eingebetteten SPTs mit Umweltzielen wie Treibhausgasreduktion, Verbrauch an erneuerbaren Energien und Abfallaufkommen in Verbindung.4
Asiatische Hotspots
Asiatische Unternehmen sind führend bei Sustainability-Linked Bonds. Auf sie entfallen mehr als 60% der Neuemissionen, auf lateinamerikanische Emittenten dagegen nur 20%.
Das lässt sich leicht erklären:
Extreme Witterungsbedingungen infolge der Erderwärmung stellen für die Schwergewichte des Blocks – China und Indien – eine besonders ernste Bedrohung dar, so die Oxford-Studie.
In China ist fast die Hälfte der globalen Strom- und Industrieanlagen angesiedelt, und gerade diese Infrastruktur sei am stärksten bedroht und könnte stranden, heisst es in der Studie.
Wir sind überzeugt, dass Asien weiterhin den Markt für ESG-Anleihen aus Schwellenländern dominieren wird. Es ist davon auszugehen, dass die Region als Nachzügler in Sachen Dekarbonisierung ihre Anstrengungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen verdoppeln wird.
China zum Beispiel möchte bis 2060 CO2-neutral werden – ein ehrgeiziges Ziel, das Investitionen von rund 16 Mrd. US-Dollar erfordern dürfte. Wir gehen davon aus, dass ein Grossteil der Mittel über Sustainability-Linked Bonds von Unternehmen beschafft wird.
„Greenium“ auf dem Prüfstand
Trotz der Attraktivität von Sustainability-Linked Bonds sollten Investorinnen und Investoren diese Anleihen noch stärker hinterfragen als herkömmliche Instrumente.
Zum einen sollten sie das Bonitätsprofil des Emittenten und die Bewertung der Anleihen genau prüfen, das sind nach unserem Dafürhalten die wichtigsten Aspekte.
Zum anderen sollten sie auch die SPTs des Emittenten und den Bestrafungsmechanismus überprüfen.
Die Zeit bis zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele ist mitunter zu lang und die Kupon-Erhöhung im Verhältnis zum ursprünglichen Kuponsatz zu niedrig, in der Regel 5 oder 10 Prozent.
Vor allem müssen auch die Bestrafungsstrukturen genau unter die Lupe genommen werden. Eine Kupon-Erhöhung allein kann unbeabsichtigterweise zur Folge haben, dass die Investorinnen und Investoren belohnt werden, wenn der Emittent die Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht. Ein anderer, fortschrittlicherer Mechanismus ist der verpflichtende Erwerb von CO2-Zertifikaten.
Die International Capital Market Association, ein Branchenverband, der freiwillige Leitlinien mit Empfehlungen für Best-Practices für Ausgestaltungsmerkmale, Offenlegung und Berichterstattung gemäss den Sustainability-Linked Bond Principles (SLBP) herausgibt, rät den Emittenten, nach Möglichkeit Informationsunterlagen zu erstellen, um die Einhaltung der SLBP-Vorgaben zu dokumentieren.4
Wir sind jedoch der Ansicht, dass ein standardisierter und möglicherweise auch verpflichtender, robusterer Rahmen für die Offenlegung und objektive Überwachung erforderlich ist, um das Vertrauen der Investorinnen und Investoren zu stärken und grössere Investitionsflüsse in die Schwellenländer zu lenken, denen teilweise das von ausländischen Anlegerinnen und Anlegern geforderte Mass an Transparenz und Offenlegung seitens der Unternehmen fehlt.
Sustainability-Linked Bonds sind für Unternehmen in den Schwellenländern eine alternative Möglichkeit, den Übergang zu mehr Nachhaltigkeit zu finanzieren und eine breitere Gruppe von Investorinnen und Investoren anzusprechen.
Auch die Unterstützung durch die Zentralbanken könnte helfen.
Im Januar 2021 stufte die Europäische Zentralbank als weltweit erste Währungsbehörde Sustainability-Linked Bonds als besicherbar und für ihr Anleihenkaufprogramm geeignet ein.
Die EZB erklärte, die Kupons solcher Anleihen müssen an ein Leistungsziel basierend auf den Umweltzielen gemäss der EU-Taxonomie-Verordnung und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung gekoppelt sein.
Eine ähnliche Entwicklung in den Schwellenländern wäre begrüssenswert.
Sustainability-Linked Bonds sind für Schwellenländer eine alternative Möglichkeit, ihren Übergang zu mehr Nachhaltigkeit zu finanzieren und eine breitere Gruppe von Investorinnen und Investoren anzusprechen, die ihre Investments mit ihren eigenen ESG-Zielen und -Grundsätzen in Einklang bringen möchten.
Qian Zhang ist seit 2019 bei Pictet Asset Management beschäftigt. Sie ist Senior Client Portfolio Manager im Fixed Income Emerging Market Corporate and Greater China Debt Team. Bevor sie zu Pictet kam, war sie Client Portfolio Manager im J.P.Morgan Asset Management Global Fixed Income Team und Emerging Markets Debt Team in London und Hongkong. Vor JPMorgan arbeitete Qian Zhang für Merrill Lynch in Tokio, wo ihr Schwerpunkt auf Zinsderivaten lag. Sie besitzt einen B.A. in Wirtschaftswissenschaften und Statistik der Universität Peking, China, und einen M.Sc. in Mathematical Risk Management der Georgia State University, USA. Qian Zhang ist Chartered Financial Analyst (CFA).
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